Wunderbare Stunden mit großartigen Gästen und Gesprächen – die gab es bei der zweiten Auflage des »Abends der Champions« im Ringer-Leistungszentrum Aschaffenburg. Es hätte keinen besseren Rahmen geben können, um den 20. Geburtstag dieses Bundesstützpunktes würdig zu feiern.
Eine einzigartig hohe Dichte von olympischen Legenden, internationalen Medaillengewinnern und aktuellen Hoffnungsträgern sowie viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft bot den idealen Rahmen für die Ehrung toller Sportler, Trainer, Schiedsrichter – und eines Physiotherapeuten, der selbst längst Legendenstatus erreicht hat.
Reinhard »Fritz« Trageser aus Alzenau nutzte die Auszeichnung für sein Lebenswerk, um mit mahnenden Worten aufzurütteln: Er mache sich »große Sorgen« um den Leistungssport in Deutschland, weil zu viele Signale in die falsche Richtung wiesen. Trageser kritisierte die aktuellen Sparbestrebungen der Bundesregierung im Sportetat – wer in der Weltspitze mithalten wolle, brauche dafür das nötige Geld.
Sein Laudator, Freistil-Bundestrainer Jürgen Scheibe (Aschaffenburg), hatte zuvor allen Anwesenden aus der Seele gesprochen, als er die Verdienste des Physiotherapeuten, der neben Vereinsmannschaften wie der RWG Mömbris-Königshofen und Einzelsportlern auch die Ringer-Nationalmannschaft betreute, auf den Punkt brachte: Ohne jemals Ringerschuhe getragen oder auf einer Matte gekämpft zu haben, sei Trageser längst ein unverzichtbarer Teil der Ringer-Familie.
Die 350 Gäste beim »Abend der Champions« feierten Trageser mit stehenden Ovationen – genauso wie den zweiten Mann aus dem Kahlgrund, der an diesem Abend für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden ist: Peter Behl gehörte in den 1980er- und 90er-Jahren nicht nur zu den Weltklasse-Ringern aus der Region; als Vereins- und Landestrainer formte er viele junge Sportler und prägte damit ganze Ringer-Generationen.
Bei seiner Laudatio auf den »großartigen Menschen« Peter Behl stockte Benjamin Stange, Vize-Präsident Sportentwicklung im Hessischen Ringer-Verband, immer mal wieder die Stimme – vor allem dann, als er auf die erheblichen Schicksalsschläge verwies, die Peter Behl wegzustecken hatte. Besonders rührend waren die fast schon liebevollen Worte vom sportlichen Rivalen und jahrzehntelangen Trainer-Kollegen und Freund Rifat Yildiz über den Athleten und Coach Peter Behl, der wie kein anderer die große Zeit der Kahlgrund-Ringer geprägt hat.
Eine wichtige Ehrung gab es für Jeffrey Spiegel aus Niedernberg: Viel zu oft wird vergessen, wie wichtig Schieds- und Kampfrichter für jede Sportart sind, ohne sie läuft nichts. Spiegel erhielt von den Moderatoren Jens Gündling und Leni Eckstein sowie HRV-Präsident Karl Rothmer eine Sonderauszeichnung für die Tatsache, dass er als erster Unparteiischer aus der Region bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio an wichtiger Stelle im Einsatz gewesen war.
Die beiden ausgezeichneten »Sportler des Jahres« waren keine Überraschungen, zu sehr drängten sich für diese Ehrung zwei Athleten auf: Zum einen bei den Männern der Hösbacher Tim Müller, der zuletzt ein internationales Comeback gefeiert hatte (ohne jemals wirklich weg vor der Matte gewesen zu sein) – und der und ab dem kommenden Wochenende in Serbien einen Olympia-Platz für Deutschland erkämpfen soll. Von Nervosität ist aber bei Tim Müller auch eine Woche vor dieser Herkulesaufgabe keine Spur zu sehen: »Ich bin gut vorbereitet, werde mein Bestes geben – und dann werden wir sehen, was herauskommt«, sagte er am Rande des Gala-Abends im Gespräch mit unserer Redaktion.
»International konkurrenzfähig«
Der Titel des Junior-Sportlers des Jahres ging an Marcel Wagin, der in der U 17-Altersklasse sowohl in die europäische wie auch in die Weltspitze vorgedrungen ist.
Bei den Talkrunden im Verlauf des Abends hoben der Präsident des Deutschen Ringerbunds, Jens Peter Nettekoven, und sein Sport-Vize, der Karlsteiner Alexander Leipold, die Bedeutung des Ringerleistungszentrums in Aschaffenburg für den olympischen Spitzensport hierzulande hervor. Man sei damit »national und international absolut konkurrenzfähig«, sagte Leipold.
Die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach aus Weibersbrunn hob in ihrer kurzen Ansprache vor allem das ehrenamtliche Engagement hervor, ohne das es die Ringerhochburg Aschaffenburg nicht geben würde: »Das Ringen lebt extrem am Untermain«, sagte die Ministerin – und Gerlach ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie das Ringerleistungszentrum als hessisch-bayerisches Gemeinschaftsprojekt für ein besonders gelungenes Beispiel für länderübergreifende Kooperation hält, das weiterhin gefördert werden muss.
Hintergrund: 350 Gäste feiern Idol Gerhard Weisenberger
Eine Legende der Ringer-Hochburg Aschaffenburg konnte am Samstagabend wegen schwerer Krankheit nicht dabei sein: der Kleinostheimer Gerhard Weisenberger, selbst als Athlet Olympia-Teilnehmer und später als Trainer prägend beteiligt an der Entwicklung von zahllosen internationalen Top-Sportlern wie Alexander Leipold oder Jürgen Scheibe.
Die 350 Gäste beim »Abend der Champions« feierten Gerhard Weisenberger mit minutenlangen stehenden Ovationen, als die Moderatoren Jens Gündling und Leni Eckstein von ihm und seiner aktuellen Situation erzählten. Eckstein las außerdem einen emotionalen Brief von Weisenbergers Ehefrau vor. Die Gäste betonten mit ihrem anhaltenden Applaus die Ausnahmestellung von Gerhard Weisenberger in der bundesdeutschen Ringer-Szene – und dass sie mit ihren Gedanken in dieser schweren Zeit bei ihm und seiner Familie sind.
Martin Schwarzkopf / Main Echo